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von JeansParka » Sa 24. Aug 2024, 13:50
"Aber ich habe immer noch die Worte im Ohr: "Kapuze auf!". "Setz deine Kapuze auf und mach sie gut zu!", "Denk dran, du hast eine Kapuze!" - Aber - hatten wir das damals wirklich registriert, dass die Erwachsenen selbst keine Kapuze trugen, aber uns anhielten, sie aufzusetzen?"
Ich kann da nur bestätigen, dass ich damals auch nicht registriert hatte, dass Erwachsene uns anhielten Kapuze aufzusetzen, selbst aber keine trugen. Das war irgendwie nie Thema, ich denke auch Freunde hatten das gar nicht wahrgenommen bzw. vielleicht war es auch einfach selbstverständlicher, kategorisierter und wohl auch autoritärer und so akzeptiert und normal.
Erwachsene machten die Ansagen und das galt und wenn es hieß "Kapuze auf" dann war sie aufzusetzen und zuzubinden, egal wie sich das anfühlte, ob man die gerne trug, nicht tragen wollte oder in so einem Gefühlschaos steckte. So war es ja auch umgekehrt, nämlich ohne "Denk daran, du hast eine Kapuze" diese dann aufzusetzen und zuzubinden? Da fehlte dann oft der Mut das einfach zu tun. Und vergleichen außerhalb der Kategorien war wie selbstverständlich nicht zulässig und bei seltenen Versuchen, war es dann etwas anderes oder zum Beispiel mein deutlich älterer Cousin war ja schon groß. Die Kapuze bei mir abzuwenden oder zu erreichen wurde zwar von mir versucht, aber irgendwie nicht zulässig mit Vergleichen anderer Kategorien wie Erwachsene oder ältere Kinder, nur mit versuchen wie "mir ist gar nicht kalt" oder ggf. vielleicht noch ein Vergleich mit gleichaltrigen. Aber irgendwie war es dadurch vielleicht wohl wichtig die Legitimation, den Rahmen zu haben. "Kapuze auf, mach sie ordentlich zu" dann war das klar und unabwendbar und egal ob man wollte, es wurde getan und die Pflicht machte es auf der anderen Seite leichter genauso wie es sein konnte, das es mal hieß "die Kapuze brauchst du nicht", dann war das genauso gesetzt, dann wurde sie nicht aufgesetzt und auch wenn dann die Reaktion wenn ich die Kapuze doch aufgesetzt hätte, wahrscheinlich gewesen wäre, das die Mutter das toleriert hätte, so habe ich mir das später als ich die Kapuze grundsätzlich schon gerne trug, nicht getraut. Unterschied zur Ansage "Kapuze auf" war wohl lediglich, dass die Ansage "Kapuze auf" immer durchgesetzt wurde.
Vielleicht war das ja auch insgesamt das spannende. Ich mochte anfangs (so mit 5) ja überhaupt keine Kapuzen und das zubinden empfand ich als besonders unangenehm, auch als Strafe dafür das ich mich versucht habe der Kapuze zu widersetzen. Wurde dann aber konsequent daran gewöhnt. Diesen ersten Kapuzenwinter, Tag für Tag, Mütze auf, Kapuze drüber, Reißverschluss bis oben zu, dann die Bänder stramm ziehen und die feste Schleife. Erst Widerstand mit zappeln und jammern, nach kurzer Zeit die Chancenlosigkeit des Widerstandes erkennen und einfach über mich ergehen lassen wurde daraus ja, dass ich dann bereits in der Grundschulzeit die Kapuze und auch das Zubinden sehr mochte, mich aber dafür geschämt habe so rumlaufen zu müssen und natürlich auch für den Widerstand, der dadurch nicht nur sinnlos sondern eigentlich ja auch gegen mich, mein Interesse war. Und so war es ja vielleicht das Spannende eine klare Ansage zu ergattern wie "natürlich setzt du die Kapuze auf" oder gerade diese zu vermeiden um je nach aktueller Empfindung die Kapuze aufsetzen oder zubinden zu müssen und es eigentlich auch zu wollen. Und mit der Ansage war es klar! Umgekehrt natürlich auch, wenn die Empfindung andersrum war genau diese Ansage nicht zu bekommen, zu vermeiden. Direkt ansprechen konnte ich das nicht, also half in dem einen Fall dann so etwas wie "ist ja heute ganz schön kalt" oder "windig" oder im anderen Falle "das ist ja heute gar nicht kalt" oder so ähnlich. Und dann kam eben was kommen sollte, etwa im ersten Falle zum Beispiel "du hast ja deine Kapuze", dann war klar was zu tun war oder es kam nichts und dann war irgendwie das Kapuze aufsetzen nicht vollständig legitimiert. Im zweiten Falle konnte gar nichts kommen oder eine Bestätigung des Wärmeempfindens, dann war die Wunschempfehlung auch legitimiert oder eben "du setzt trotzdem deine Kapuze auf" und dann war das zu tun, egal was meine Vorstellung war. Und ich war insgesamt ja eher zerrissen konditioniert, nämlich einerseits gerne Kapuze zugebunden zu tragen, andererseits es wegen Ohnmachtsgefühlen, Bestrafungsgefühlen, der einzige sein zu können, mit mulmigen Gefühlen mit zugebundener Kapuze nach draußen zu müssen. Aber eine Anordnung galt, egal was mir gerade lieber war. Dann gab es natürlich noch grundsätzliche Regeln, da bedurfte es keiner Anordnung, denn ab September bzw. Oktober auf dem Fahrrad oder bei Regen oder starken Wind zum Beispiel Schifffahrt auf der Nordsee war natürlich die zugebundene Kapuze kraft des Wetters angeordnet und legitimiert. Es bedurfte also beim Kapuze aufsetzen durch die Situation Klarheit wie Wetter oder Ansage der Eltern um meiner Neigung mir die Kapuze gerne aufzusetzen und zuzubinden nachzugehen. Als ich kleiner war und die Kapuze bereits gerne mochte war das einfacher, weil dann meine Mutter mir ja die Kapuze einfach übergezogen und zugebunden hat, meist sowieso von sich aus. Manchmal wurde mir dann eher mulmig und manchmal genoss ich es. Und manchmal versuchte ich es zu erreichen durch Worte wie, dass es doch ganz schön kalt geworden ist bzw. kälter als gedacht oder so. Meistens war es dann in der kalten Jahreszeit und auch schon gegen Abend und dunkel, weil so gesehen zu werden dann für m ich erheblich abgemildert war und ich es abseits dieser anderen Gefühle total liebte im Winter warm eingepackt mit Anorak, Mütze, Kapuze drüber und diese fest geschnürt und damit gut sitzend in die Kälte zu gehen. Ich glaube als meine Tante mich mal so für den Heimweg fertig machte sagte sie abschließend: "So, nun kann der Wind noch so kalt sein, du bist schön warm eingepackt und sicher verschnürt". Es war die Tante, die immer eher liebevoll bei meiner Cousine und eben auch bei mir auf die Kapuze achtete und diese Worte wie sie die betonte und wie sie mich dabei anschaute wärmte auch mich, sie war da eben ganz anders als meine Mutter.
Ach so, ich wollte noch etwas zu den Kategorien sagen. Erwachsene und Kinder, große Kinder und kleine Kinder und auch Mädchen und Jungen. Wir hätten nie daran gedacht die Kapuzenregeln, die für uns als zum Beispiel kleine Kinder galten mit den Erwachsenen zu vergleichen. Das war klar das für Erwachsene etwas anderes galt, und auch nur bedingt waren Vergleiche mit älteren Kindern möglich und eher dann verzweifelte Versuche die Kapuze nicht tragen zu müssen, was aber in meiner Familie sofort abgebügelt wurde, wenn zum Beispiel mein deutlich älterer Cousin die Kapuze nicht aufsetzen musste und ich doch mal darauf hinwies. Ich glaube genauso war es für ältere Mädchen. Tanja hat mal Beispiele geschrieben wo Sie als Teenager noch die Kapuze aufsetzen musste, brav das Kinn hob und sich sogar zubinden ließ genauso ihre Cousine während die Jungen ohne Kapuze unterwegs sein durften. Das wurde nicht verglichen und empfand sie als normal. Auch auf Juist wurde nur dem Mädchen der anderen Familie die Kapuze aufgesetzt und zugeschnürt, nicht ihrem Bruder und als Vergleich wurde dann ja auch nur Tanja genommen, die auch immer brav die Kapuze aufgesetzt und zugeschnürt trägt nicht der Bruder der anderen Familie. Also man war doch sehr in seiner Gruppe identifiziert und bei Mädchen wurde wirklich viel länger auf eine korrekt zugebundene Kapuze geachtet und ihnen machte es auch nichts aus oder es schien so, wenn sie damals noch mit 17 oder 18 die Kapuze so tragen durften oder mussten. Ich glaube Tanja hat dazu geschrieben, das das normal für sie war und so war es auch für mich normal das ich als Grundschulkind die Kapuze fest zugebunden bekam und Erwachsene nie Kapuze trugen und auch ältere Kinder, ich sag mal ab 12, nicht. Auch wenn es dann sich änderte als ich selbst älter war und die Kapuze auch bei mir und vielen anderen Kindern in diesem Alter etabliert und durchgesetzt wurde bzw. wir davon überzeugt wurden. Genauso wenig habe ich damals bemerkt, dass ich und viele anderen Jungen dann so mit 15 oder 16 der Kapuze so langsam abschworen während es für viele Mädchen noch mit 17 oder 18, teilweise sogar noch bis Mitte/Anfang 20 noch normal war sich vor dem Verlassen eines Gebäudes (sei es Geschäfte, Büro, Disko, Restaurant, Bus oder Bahn) brav die Kapuze aufzusetzen und auch zuzubinden. Das ließ dann irgendwann rapide nach und heute sieht man kaum noch jemanden mit zugeschnürter Kapuze, warum auch immer. Aber damals in der Situation selbst die Kapuze aufzusetzen, zuzubinden, dies angeordnet oder durchgeführt zu bekommen hat niemals bei mir Vergleiche mit dem Erwachsenen, der die Anordnung erließ, geweckt, das war Tabu!